[Einleitung]
Unter dem Originaltitel „Baikonur. Earth“ entstand 2018 eine Dokumentation über den Weltraumbahnhof im heutigen Kasachstan, einem Teil der damaligen, zusammengebrochenen UdSSR (Sowjetunion). Sozusagen die russische Version des US-amerikanischen Kennedy Space Centers auf dem Cape Canaveral US-Airforce Gelände. Andrea Sorini arbeitete mit Eliseo Acanfora gemeinsam das Skript zu dieser Dokumentation aus und führte sodann auch die Regiearbeiten an. „Baikonur. Erde“ nimmt uns mit auf eine Reise an einen Ort, der einmal Zentrum eines gigantischen Weltraumprogramms war und heute noch als der höchstfrequentierte Weltraumbahnhof Russlands existiert.
[Kommentar]
Diese Dokumentation ist sehr klassisch angelegt. Sie dient sowohl der leichten Wissensvermittlung mit vielen Aufnahmen von vor Ort, stelle sogleich jedoch auch eine Art künstlerisches Zeugnis dar, welches sich mit dem was war und dem was heute ist auseinandersetzt. In diesem Fall am Beispiel des Kosmodrom Baikonur im heutigen Kasachstan. Ein reges Treiben muss dazumal dort geherrscht haben. Heute ist die Stadt, die mehr einem Industriegelände mit obskuren Bauten gleicht, mit rund vierzigtausend Einwohnern nicht groß und unter russischer Verwaltung und Pacht. Viele der Raketenstarts Russlands zur irgendwelchen Missionen und der Internationalen Raumstation (ISS) beginnen von hier.
Die Doku arbeitet sehr visuell. Kommen Menschen zum Einsatz in dem sie vor der Kamera ein paar Zeilen Monolog von sich geben, so geschieht dies in ihrer Sprache und wurde englischsprachig untertitelt. Eine Stimme aus dem Off gibt es nicht. Informationen kommen durch die Bilder zustande, konkreter wird es nur, wenn jemand etwas sagt. Die Aufnahmen wirkten auf mich teilweise wie aus einer anderen Welt. Weites, dröges und eintöniges Land – das ist ein krasser Gegensatz zu dem, was wir in den USA in Florida sehen. Doch darum geht es nicht. Aufnahmen mit Alexander Gerst vor einem Start zeigen auch, wie professionell in Baikonur vorgegangen wird, wenngleich alles irgendwie ‚alt‘ auf mich wirkte.
Als dann eine Sojus Rakete startet und die Kamera dies starr fokussiert, fallen weitere Unterschiede ins Auge. Und ein Charme einer vergangenen Weltmacht, aufstrebend in den All, schwingt mit. Wer Zahlen, Daten, Fakten erwartet und irgendwie leicht unterhalten werden will, der ist hier vermutlich falsch. Wer jedoch ein künstlerisch angehauchtes Werk mit einem starken Soundtrack erleben möchte, der ist hier wahrscheinlich gut beraten eine Ansicht zu wagen.
[Technik]
Technisch betrachtet ist das alles hier weder der große Wurf, noch muss sich irgendwer sorgen. Denn sämtliche hier gebotene Aufnahmen haben eine mindestens gute Qualität. Die Formatierung ist grundsätzlich als 16:9 festzuhalten, wenngleich einige Archivmaterialien höheren Alters davon im Original abweichen können. „Baikonur. Erde“ steht seinen Mann und weist in keinem der Bereiche wie Farbintensität, Konturenzeichnung oder auch Sauberkeit nennenswerte Mängel auf. Die Kompression macht nicht auf sich aufmerksam.
Wahrscheinlich ist „Baikonur. Erde“ die Dokumentation mit dem geringsten Einsatz gesprochener Sprache, die ich die letzten Jahre gesehen habe. Das ist keine Wertung, nur zeigt es eben, dass die Wiedergabe von Sprache hier anders zu gewichten ist. Musikalisch hingegen ist diese Dokumentation sehr stimmungstragend und intensiv unterwegs, Hintergrundgeräusche kommen partiell mächtig zur Geltung, so wie der Start einer Sojus-Trägerrakete als Beispiel. Qualitativ gab es für mich zu keinem Zeitpunkt Anlass zur Kritik.
[Fazit]
Mit einer flotten Laufzeit von rund 75 Minuten bietet sich der Titel doch irgendwie an. Allerdings kann er trotz geringe Spieldauer kleinere Längen aufweisen. Die Kameraführung war mir teils einfach zu ‚starr‘. Davon ab wiederum hat „Baikonur. Erde“ auch etwas eigenes. Eine Art stilles Zeugnis dessen was war, und auch von dem, was nun daraus geworden ist. Mit einer gewissen Distanz dabei, eher betrachtend als kommentierend. Wen das anspricht, der erhält hier tolle Aufnahmen, eine leicht skurrile Stimmung und einige Infos rund um Baikonur, hier auf unserer Erde.
Andre Schnack, 26.10.2022
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